Wir mal wieder mittendrin.
Ohne es im Vorhinein gewusst zu haben.
In den Neujahrsfeierlichkeiten Balis.
Bali verwendet 3 (!) Kalender.
Nummer eins:
Der gregorianische Kalender.
Der offizielle Kalender.
Seit der holländischen Kolonialzeit (1849) in Gebrauch.
Nummer zwei:
Der Pawukon-Kalender
Traditioneller balinesischer Kalender für viele religiöse Feste wie Odalan (jährliches Tempelfest).
Hat nur 210 Tage.
Last but not leat:
Das Saka-Kalender
Hindu-Balinesischer Kalender.
Seit 78 nach Christus.
Hat auch 365 Tage.
Aber mit anderem Jahresstart – dem balinesischen Neujahr „Nyepi“!
Nach unserem Kalender irgendwann Ende März/Anfang April.
Heuer:
29. März.
Am Tag vor Nyepi finden Bhuta Yajna Ceremonies statt.
In jedem balinesischem Zuhause.
Mit aufwändigen Opfergaben und Fackeln aus getrockneten Kokosblättern.
Begleitet von lautem Trommeln.
Um negative Energien und böse Geister zu vertreiben.
Höhepunkt am Abend:
Die Ogoh Ogoh Paraden.
Ogoh Ogohs sind riesige Dämonen-Figuren.
Super aufwändig von den einzelnen Communities gebaut.
In wochenlanger Arbeit.
Werden bei den Paraden auf Bambusgestellen stolz präsentiert.
Sollten dann gegen Mitternacht verbrannt werden.
Reinigung von bösen Geistern.
Klingt nach einem alten Ritus.
Ist’s aber nicht!
Erste Ogoh Ogohs tauchten erst in den 1950ern auf.
Nehmen erst in den 1990ern so richtig Fahrt auf.
Ok.
Soweit der Wissensteil dieses Artikels 🤓
Sehen schon bei der Fahrt von Nusa Lembongan nach Ubud überall Ogoh Ogohs in Entstehung.
Am Sportplatz von Ubud ein Festival.
Mit Live Musik-Acts.
Mit Essenständen.
Mit Ausstellung der Ogoh Ogohs der Stadtteile.





Sind am 28. März (Tag vor Neujahr) mit dem Moped unterwegs.
Zum einem Wasserfall.
Viele zentrale Straßen abgesperrt.
Viele Geschäfte bereits heute geschlossen.
Schon jetzt finden die ersten Ceremonies statt.
Ogoh Ogohs in Stellung gebracht.
Viele Jugend- und Kinder Gruppen haben Ogoh Ogohs gebaut.
Tragen sie voller Stolz zum Versammlungsplatz.
Besonders entzückend:
Ein Vater mit seinem ca. vier Jahre altem Sohn.
Und Mini-Ogoh-Ogoh auf seinen Schultern.
Der Kleine wollte unbedingt auch einen bauen.
Nun geht’s zum Tempel.
Zu den großen Ogoh Ogoh Brüdern.
Aber auch Schwestern!!
Ja, gibt auch weibliche Ogoh Ogohs!
Am Gesicht schwer zu erkennen.
Aber die Brüste machen’s klar.





Ist eine ganz eigene, schöne Stimmung.
Ein bisschen wie bei uns vor Weihnachten.
Mit extrem starken Miteinander.
Alle aus der Community kommen zusammen.
Alle Generationen.
Alle lachend und gut gelaunt.
Hoffentlich hält das Wetter am Abend.
Die letzten Tage hat leider die Rainy Season immer zugeschlagen.
Am Wasserfall sind wir ziemlich alleine.
Macht’s noch schöner.
Faszinierend in Bali.
Nur 60 Meter weg von der Straße bereits wilde Natur.
Dichter Dschungel.
Einzig das im Wasser treibende Plastik erinnert an menschliches Leben.
Leider.
Am Rückweg immer wieder Stau.
Ogoh Ogohs auf der Straße.
Vorm Supermarkt.
Decken wir uns noch mit Essen ein.


Denn morgen ist Nyepi.
Der Neujahrstag.
Silent Day.
Von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr am nächsten Tag.
Strenge Regeln für diese 24 Stunden:
- Absolute Stille, Fasten.
- Zuhause bleiben.
- Arbeitsverbot.
- Kein Feuer, auch kein elektrisches Licht.
Ist ein richtiger eintägiger Lockdown der gesamten Insel.
Alles geschlossen.
Nicht nur Geschäfte und Lokale.
Auch der Flughafen.
Kein einziger Flug für diesen Tag.
Kein Fernsehen.
Kein Radio.
Kein Internet.
Die Stille und Dunkelheit soll den vorbeiziehenden Dämonen und bösen Geistern vorgaukeln, die Insel sei verlassen.
Kein Ort für sie zu bleiben.
Die geübte Selbstkontrolle soll zur spirituellen Reinheit führen.
Für einen echten Neuanfang.
Auch Touristen müssen sich an die Regeln halten.
Im Hotel bleiben.
So wenig Licht wie möglich aufdrehen.
Angestellte haben frei.
Lunchpakete am Vortag ausgegeben.
Hat uns schon beim Buchen gewundert:
Auf booking.com waren der 28. und 29. März ausgebucht.
Bei jedem Hotel.
Hab ich damals nicht verstanden.
Jetzt schon.
Versuchen, so wenig Touris wie möglich hier zu haben.
Ist auch lustig zu beobachten.
Viele Touris mit ihren Koffern unterwegs.
Abreise.
Vor Nyepi.
Zum Glück haben wir für ein Monat gebucht.
Ein Tag in unserem kleinen Paradis kein Problem.
Morgen einfach zuhause essen.
Unser Vermieter bietet uns an, an den Ceremonies seiner Community im Tempel teilzunehmen.
Uns dafür auch traditionelle balinesische Kleidung zur Verfügung zu stellen.
Will um 17.00 zu uns kommen.
Nach der Ceremony bei ihm zu Hause.
Freu mich darauf, mal alles „von innen“ zu erleben.
Ist schon einiges nach 17.00.
Kein Zeichen von Adit.
Hm.
Will nicht nachfragen.
Ihn bei der Bhuta Yajna Ceremony stören.
Ist eine der wichtigsten Feierlichkeiten im Hinduismus.
Ah, ein WhatsApp von Adit!
Ceremony dauert noch an.
Kommt später.
Keine Info wann.
Arno wird’s zu langwierig.
Ist schon hungrig (wollen heute essen gehen).
Glaub auch, die Aussicht auf einen Sarong um die Hüften und einen Udeng (ein speziell gefaltetes Tuch) am Kopf begeistert ihn nicht so.
Meint:
„Sag ihm ab!
Sag, wir kommen später zur Parade dazu. (NB: da braucht’s keine spezielle Kleidung)
Lass uns was essen gehen.“
Bin hin und her gerissen.
Will nicht unhöflich sein.
Hat uns ja extra eingeladen.
Lass mich breitschlagen.
Sage so höflich wie möglich ab.
Um mich gleich danach darüber zu ärgern.
Vor allem über mich selbst.
Wäre ja wirklich gerne dabei gewesen.
Grantel herum.
Arno bekommt’s zu spüren.
Wird auch gereizt.
Kurz mal nicht so feierliche Stimmung.
Fahren mit dem Moped nach Ubud runter.
Eigentlich um was essen zu gehen.
Landen mitten in den letzten Minuten vor der Ogoh Ogoh Parade in Ubud.
Unfassbar viele Menschen auf der Straße.
Dichtes Gedränge.
Vor allem Touristen.
Dachte, die seien alle abgereist??
Machen bei einer Kreuzung Halt.
Fädeln uns am Straßenrand ein.
Auf den Gehsteig rauf geht’s nicht mehr.
Manche schon seit dem Nachmittag da.
Platz sichern.
Vorzugsweise am Gehsteig oben.
Machen jetzt definitiv keinen Platz für Neuankömmlinge.
Zum Glück sind wir beide nicht klein.
Sehen auch von unten gut.
Keine 10 Minuten später geht’s los.
Der erste Ogoh Ogoh wird die Straße runter in Stellung gebracht.
Ein riesiger.
Sogar mit eigener Beleuchtung.
Das Bambus-Traggestell von jungen Männer geschultert.
Davor eine junge Frau.
Trägt das Schild mit dem Ortsteil des Ogoh Ogohs.
Auf die Ankündigung durch den Lautsprecher hin beginnen die Träger nach vor zu laufen.
In unsere Richtung.
UUUUUHHHHHH!
Das wird ENG!
Zu eng.
Kaum Platz zwischen den schwer tragenden jungen Männern und uns, dem Publikum.
Also eigentlich gar keiner.
Kurze chaotisch turbulente Situation.
Wir Zuschauer versuchen nach hinten auszuweichen.
Wegzuducken.
Hoffe, dass die Jungs der schwere Gewicht halten.
Halten sie.
Bleiben kurz stehen.
Der Puls bei allen auf 180.
Aber alles gut gegangen.
Alle konnten ausweichen.
Keiner unters Bambusgestell gekommen.
Uff.
Ab dem nächsten Ogoh Ogoh geht’s bedeutend besser.
Trotz Streben nach der besten Fotoposition machen die meisten nun genug Platz.
Alles weiterhin eng.
Doch nicht mehr bedrohlich.






Kann nun voll in die Parade eintauchen.
Bei Nacht mit Beleuchtung und dem lauten Trommeln kommen die Ogoh Ogohs so richtig zur Geltung.
Schütteln haucht ihnen fast Leben ein.
Gibt auch special Ogoh-Ogohs.
Von Jugend-Gruppen.
Von Kinder-Gruppen
Von Mädchen-Gruppe.
Alle sind mit dabei.
An der Kreuzung vorne werden die Ogoh Ogohs ein paar Mal im Kreis gedreht.
Um die bösen Dämonen zu verwirren.
Damit sie die Insel verlassen.
Abgesehen von der kurzen Turbulenz am Anfang alles sehr entspannt.
Alle gut drauf.
Alle mit Herz und Seele dabei.
Kein Ärgern, dass wir Touris teilweise im Weg stehen.
Keine Aggression.
Ein einziges großes Miteinander.
Bin voll fasziniert.
Wundere mich über mich selbst.
Hasse normalerweise Menschenaufläufe.
So nicht an dicht mit anderen.
Auf keine Seite wirklich aus können (bei einer Massenpanik hättest du hier null Chance).
Halte hier über eine Stunde aus.
Trotz Schwüle.
Trotz Schwitzen im langärmeligen Gewand (auch wenn’s keine traditionelle Kleidung sein muss, zumindest mit langem Gewand wollen wir den nötigen Respekt zeigen).
Doch dann sind die meisten Ogoh Ogohs durch.
Wir auch.
Abmarsch.
An den noch wartenden Ogoh Ogohs vorbei .
Eine Mädels-Gruppe macht Selfies mit ihrem Ogoh Ogoh.
Hinter dem letzten findet schon ein Sitzkreis mit Getränken statt.




19.30
Wo finden wir jetzt noch was zu essen??
Alle noch offenen Lokale gesteckt voll.
Landen in einem Lokal in der Nähe einer unserer ehemaligen Unterkünfte.
Warten über ein Stunde aufs Essen.
Ohne dass das Lokal voll wäre.
Mittlerweile hab ich auch schon Hunger.
Arno muss ja schon ein mega Loch im Bauch haben!
Unterbrochen wird unsere Wartezeit von einer Mini-Ogoh-Ogoh Parade.
Die Kids des Dorfes tragen ihren die Straße entlang.
Macht genauso Gänsehaut wie die Riesen-Parade in Ubud.
Einziger Vorteil des langen Wartens:
Die Zeit bis Mitternacht ist verkürzt.
Da sollen die Figuren ja verbrannt werden.
Auf den Friedhöfen.
Am Heimweg Stau.
Vor der Friedhofseinfahrt.
Ein Ogoh Ogoh wird abgestellt.
Ha!
Da müssen wir um Mitternacht wieder her!!!
Mag ja Feuer.
Schon einer Kerze kann ich ewig zuschauen.


Noch zwei Stunden bis Mitternacht.
Hinwarten bisserl zäh.
Fast wie bei Silvester, haha.
Starten kurz nach 23.00 zu Fuß los.
Um rechtzeitig beim Friedhof zu sein.
Einen guten Platz zu haben.
Doch.
Keine Menschenseele dort.
Der Ogoh Ogoh ganz verlassen.
Seine Beleuchtung abgeschaltet.
Auch kaum jemand auf der Straße unterwegs.
Die letzten Supermärkte lassen ihre Rollläden runter.
Ende der Feierlichkeit.
Kein Verbrennen.
Oooooooh.
Schade!!!!!
Bin enttäuscht.
Lesen später nach, dass das Verbrennen der Ogoh Ogohs oft erst am Tag nach Neujahr stattfindet
An Orten mit viel Platz.
Sehen allerdings in den Tagen danach noch immer Ogoh Ogohs herumlungern.
Werden mehr abgebaut als verbrannt.
Vielleicht werden Bestandteile ja wieder verwendet?
Auf alle Fälle klimafreundlicher als verbrennen.
Nächster Morgen.
Nyepi.
Silent Day.
Und er ist tatsächlich super silent.
Sogar in unserer Hood.
Die ohnehin schon sehr ruhig ist.
Kein einziges menschen-gemachtes Geräusch.
Keine Motoren.
Keine Flugzeuge.
Keine Instrumente.
Keine Stimmen.
Nur Natur.
Vogelgezwitscher.
Eichhörnchen-Keckern (wusstest du, dass das so heißt? ich nicht).
Wind.
Versuchen auch, möglichst leise zu sein.
Schreiben.
Podcast hören.
Keine lauten Geräusche.
Abends nur das nötigste Licht.
Das balinesische Internet tatsächlich außer Betrieb.
Also balinesische IP Adressen.
Wie gut, dass wir ein VPN haben!
Würde ja liebend gerne rausgehen.
Nach Ubud runter fahren.
Diese Menschenleere und Ruhe dort erleben.
Aber machen wir natürlich nicht!
Bleiben den ganzen Tag zu Hause.
Aus Respekt.
Und weil die Polizei und Religionspolizei Pecalang kontrolliert 😉

